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  Ausgabe 13/2024
Freitag, der 29.03.2024
     

 / Hessen / Strafrechtsstation

Zwischenbilanz: Alltägliche Stationsarbeit und Regel-AG

von

MH900407482Mir ist gerade aufgefallen, dass meine letzten Beiträge sich ja immer um ein spezielles Thema gedreht haben, aber ich noch gar nicht so richtig erzählt habe, wie es bei mir zur Zeit im Alltag der Strafstation aussieht.

Die aktuelle Station gefällt mir bisher deutlich besser, als die Zivilstation, wo ich doch zum Teil eher mit gemischten Gefühlen zu den Terminen bei meinem Ausbilder gegangen bin. Ich habe das Gefühl, dass in der Staatsanwaltschaft Darmstadt sehr viele recht junge Staatsanwälte und Staatsanwältinnen beschäftigt sind. Es herrscht eine sehr freundliche, offene Atmosphäre – wenn ich durch die Flure laufe, ist es auffällig, dass fast alle Türen offen sind, hier und dort schon mal entspanntes Gelächter aus den Zimmer dringt und immer auch ein bischen Smalltalk mit den dort beschäftigten Menschen möglich ist. Aus meiner Sicht eine sehr angenehme Arbeitsatmosphäre!

Das soll jetzt nicht den Eindruck erwecken, dass dort mehr gequatscht als gearbeitet wird, nur empfinde ich die Stimmung dort als wesentlich angenehmer als es im Landgericht der Fall war… das Arbeitspensum, was ich selbst bewältigen muss, ist eher mehr als in der letzten Station. Allerdings habe ich trotzdem das Gefühl, dass es besser zu bewältigen ist, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Akten einen deutlich geringeren Umfang haben, als in den Zivilrechtsstreitigkeiten.

Ich habe jede Woche einen fixen Tag, an dem ich zu meinem Ausbilder gehe. Ich bekomme dort dann einen Berg Akten, den ich mit nach Hause nehme und dort bearbeiten soll. Ein Berg ist dabei wörtlich gemeint, denn die ca. 8 Akten ergeben schon einen ansehnlichen Turm (nicht selten verbunden mit anderen Verfahren, zugezogenen früheren Akten, etc.), den ich manchmal trotz großer Bemühungen nicht in meinem Rucksack verstaut bekomme. Aber mittlerweile habe ich gelernt, immer auch noch eine zusätzliche Stofftasche für den Fall der Fälle dabei zu haben… 😉
Anfangs erzählte mir mein Ausbilder immer so grob, worum es in der jeweiligen Akte geht und deutete an, was er glaubte, in welche Richtung das Verfahren weiter bearbeitet werden sollte. Tendenziell habe ich bisher mehr Einstellungen als Anklagen geschrieben. Mittlerweile gibt er mir keine Hinweise mehr und lässt sich überraschen, ob ich einen hinreichenden Tatverdacht feststellen kann oder nicht. Sehr angenehm finde ich, dass er mir meistens nicht genau sagt, wann ich die Sachen zurück geben muss – er ist da immer sehr relaxed, so nach dem Motto „nehmen Sie sich die Zeit, die sie brauchen, um das sorgfältig zu machen, ich bin ja da und laufe nicht weg!“. Je nachdem, wann ich die Sachen fertig bearbeitet habe, gebe ich sie dann bei einem der nächsten Termine wieder ab oder reiche sie schon mal zwischendurch rein, wenn ich z.B. wegen der AG sowieso im Haus bin. Bei der Abgabe besprechen wir meine diesbezüglichen Gedanken meistens schon mal und wenn er der Meinung ist, dass sich das „hören lässt“, dann darf ich die entsprechende Akte dort lassen und später meine Ausarbeitung noch per Mail nachreichen, damit er auch die brauchbaren Teile davon übernehmen kann und ich nicht das Gefühl bekomme, dass ich „nur für den Papierkorb arbeite“, wie er immer so schön sagt. 🙂
Beim nächsten Treffen bekomme ich dann meine zuvor abgelieferten Arbeiten korrigiert mit Anmerkungen und benotet wieder ausgehändigt und erhalte meist zusätzlich noch die Einstellung oder Anklage, wie er sie selbst dann auch rausgeschickt hat zum Vergleich.

Gerade das ist ein wesentlicher Unterschied zur Arbeit in der Zivilstation, wo ich mit meinem Richter zwar auch meine Ausarbeitungen besprochen habe, aber nie eine Korrektur zum nochmaligen Durcharbeiten bekam, geschweige denn das später offizielle Schriftstück. Das drückte meine Motivation immer ziemlich, denn ich wusste zwar, was er kritisierte, aber oft konnte ich mir gar nicht alles bis zu Hause merke, noch hatte ich konkrete Verbesserungen an die Hand bekommen oder Vergleiche aus der Praxis gesehen….
Bei meinem Ausbilder bei der Staatsanwaltschaft dagegen bekomme ich ganz automatisch immer konstruktives Feedback, sodass ich auch wirklich das Gefühl habe, etwas zu lernen. Und wenn in den tatsächlichen Schriftstücken die ein oder andere Passage meinem Gedankengang sehr ähnlich ist, motiviert mich das ungemein, sodass ich voller Elan zur nächsten Akte greife und auch sehr gerne zum nächsten Termin mit meinem Ausbilder gehe. Kurzum, bisher macht mir die Arbeit bei der Staatsanwaltschaft wirklich Spaß.

Auch die AG ist in dieser Station nach wie vor (ich hatte ja bereits von der Einführungs-AG etwas ausführlicher berichtet) deutlich besser als in der Zivilstation. Jede Woche haben wir ein bestimmtes Thema, das im Vorfeld bekannt gegeben wird, sodass es möglich ist, sich schon mal einzulesen und etwas auf die Veranstaltung vorzubereiten. Die AG Treffen beginnen immer mit einem Aktenvortrag. Zu Beginn hatten wir festgelegt, wer wann dran ist. Diejenigen (pro Termin 1-2 Leute) die an dem Tag mit dem Aktenvortrag dran sind, müssen zeitversetzt etwas früher kommen, um sich in der 1-stündigen Bearbeitungszeit vorzubereiten, der Rest der AG kommt etwas später. Wir lesen und besprechen im groben dann den Aktenvortrag, bevor er uns von den 1-2 Referenten nacheinander dargeboten wird, sodass wir auch wissen, worum es geht. Wenn dieser Teil abgeschlossen ist, muss immer einer ein Referat zum gesetzten Thema halten, sodass ein Teil der Einheit von uns selbst gestaltet wird. Nachdem alle Theorie zum Thema besprochen ist, gibt es ein paar Fallbeispiele, um zu testen, ob wir die Theorie auch in die Praxis umsetzen können.
Anschließend besteht dann aber auch noch die Möglichkeit (unabhängig vom jeweiligen AG-Thema) noch Fragen zu stellen, Probleme aus den Fällen der Einzelausbildung durchzusprechen, etc. Auch die Unterlagen, die wir in der AG bekommen sind deutlich besser, als in der Zivilstation. Wir wurden bisher mit diversen Schemata für die Stationsarbeit versorgt, bekamen gute Zusammenfassungen zu den diversen Themen der StPO (die wir bisher besprochen haben), schon die ein oder andere Originalklausur, an der wir uns als Hausaufgabe versuchen sollten… alles in allem bin ich sehr zufrieden und habe bisher auf keinen Fall das Gefühl, das auch nur eine der AG Sitzung vertane, sinnlos abgesessene Zeit gewesen wäre!

Ansonsten hatte ich natürlich mittlerweile auch schon längst meine Premiere in der Sitzungsvertretung. Ich war bei einem doch recht abgelegenen Amtsgericht eingeteilt, ein noch richtig altes Gebäude, dessen Sitzungssaal ich fast als historisch bezeichnen würde – mit Holzbänken und angebauten Holzschildern, auf denen jeweils eingeritzt war, wo der Angeklagte, der Verteidiger, der Staatsanwalt und der Richter zu sitzen hat. Ein riesiger Raum, mit hohen Decken, Vertäfelungen und einem großen Zuschauerbereich hinter einem pompösen Holzgeländer. Eine wirkliche beeindruckende Atmosphäre (und eine ganz neue Erfahrungen nach meinen Zivilsitzungen im Richterzimmer, eingeengt zwischen Schreibtisch und Wand). Die Fälle waren eher kleinere Sachen, die sich anhand der dünnen Handakte problemlos vorbereiten ließen, sodass ich auch ganz unbesorgt (trotz „Generalprobe“) zur Sitzung fuhr. Ich war einige Zeit vor dem Beginn der Sitzung dort, stellte mich bei dem Richter schon vor und es blieben noch ein paar Minuten für Smalltalk, sodass ich ganz entspannt in die Sitzung startete. Der Richter war dann auch sehr freundlich und verständnisvoll, als ich kurz vor dem Plädoyer nochmal zwei Minuten brauchte, um mich zu sammeln. Wirklich spektakulär war es nicht, es lief alles recht reibungslos und auch das Auftreten der Angeklagten war bei allen sehr angenehm.
Meine Kollegen berichteten schon häufiger von Zuständen, ähnlich wie im Fernsehen, sodass der Richter erstmal klarstellen muss, dass ein Gerichtssaal kein Fernsehset ist und im Normalfall weder gebrüllt, aufgesprungen, permanent „Schimpfworte und Gossensprache“ benutzt, Kaugummi gekaut oder Basecaps getragen werden… 😉

Also nach ziemlich exakt sechs Monaten Referendariat und genau zur Mitte der Strafstation kann ich sagen, dass ich seit 2 Monaten ganz angetan vom Referendarsalltag bin, viel lerne und auch Spaß dabei habe.

Der Artikel wurde am 14. Mai 2013 von veröffentlicht. Melli war Referendarin in Hessen.