RefNews

Das Blog zum Rechtsreferendariat

KOMMENTARE MIETEN STATT KAUFEN
  • RefNews - Der Blog von und für Rechtsreferendare


REFERENDARIATNEWS
REFNEWS
  Ausgabe 13/2024
Freitag, der 29.03.2024
     

 / NRW / Strafrechtsstation

Keine Verurteilung ohne Vorsatz und Schuld

von

Wie in meinem letzten Artikel versprochen, möchte ich euch noch über zwei Verhandlungen aus meiner Strafrechtsstation berichten, die mir am deutlichsten in Erinnerung geblieben sind:

Eine Anklage wegen gewerbsmäßigen Betruges in zahlreichen Fällen, bei der der Angeklagte letztlich freigesprochen wurde, und ein Freispruch wegen Schuldunfähigkeit.

Die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands

Im ersten Fall sprach die Richterin den Angeklagten nach zwei Stunden Beweisaufnahme frei, weil ihm kein Vorsatz nachgewiesen werden konnte. Noch bei der Vorbereitung der Handakte war ich mir ziemlich sicher gewesen, dass der Angeklagte verurteilt werden würde. Immerhin hatte er über einen Zeitraum von ca. einem Monat täglich einen höheren dreistelligen Betrag von einem fremden Bankkonto abgebucht. Im Termin bestätigte sich der Vorwurf bezüglich des objektiven Tatbestands vollkommen. Aber der Angeklagte erklärte sein Verhalten aber bis ins kleinste Detail nachvollziehbar und schilderte auch, dass er das Geld bereits zurückgezahlt hatte. Der Verteidiger unterstützte den Vortrag seines Mandanten gut und legte jeweils die Belege vor. Danach wurden die Zeugen gehört. Darunter war auch derjenige, der den Angeklagten angezeigt hatte. Selbst er konnte keine Anhaltspunkte dafür vortragen, weshalb der Angeklagte doch vorsätzlich gehandelt haben sollte. Obwohl der Verteidiger nach der Aussage des ersten Zeugen anregte, die beiden anderen Zeugen nicht mehr zu hören, ließ ich auch diese beiden – wenn auch äußerst knapp – zur Bestätigung des Sachverhalts hören. Sicher ist sicher. 😉 Nach zwei Stunden beantragte ich dann voller Überzeugung Freispruch. Im Nachhinein habe ich noch oft an diesen Fall denken müssen. Zum einen habe ich mich gefragt, ob der Angeklagte wirklich unschuldig war. Ich weiß es nicht. Aber das Ergebnis der Hauptverhandlung war: kein Vorsatz. Nicht im Geringsten. Zum anderen habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie es wohl sein muss, wenn man vollkommen unschuldig plötzlich wegen gewerbsmäßigen Betruges angeklagt wird und welche Erleichterung das Urteil für den Angeklagten und seine Familie, die ebenfalls anwesend war, gewesen sein muss.

Die Frage nach der Schuld

Der zweite Fall betraf einen obdachlosen drogenabhängigen und infolgedessen auch psychisch kranken Mann, der wegen Sachbeschädigung in zwei Fällen angeklagt war. Der Bundeszentralregisterauszug enthielt eine ganze Reihe Verurteilungen wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung. Aufgrund der Vorgeschichte des Angeklagten hatte der Richter einen Sachverständigen beauftragt, ein Gutachten zur Schuldfähigkeit des Angeklagten zu erstellen. Noch während ich die Anklageschrift verlas, begann der Angeklagte zu weinen. Er gab die Taten unumwunden zu und berichtete dann unter Tränen, dass er das gar nicht gewollt habe und einfach nicht mehr weiter wisse. Die Stimmung im Gerichtssaal war wirklich sehr bedrückend. Der Richter ging sehr gut mit der Situation um, ließ den Mann ausreden und überlegte dann mit ihm gemeinsam, wie es für den Angeklagten weitergehen sollte. In diese Überlegungen wurden dann auch der Sachverständige und die Betreuerin des Angeklagten einbezogen. Eine Unterbringung nach § 63 StGB kam nicht in Betracht, da der Angeklagte ganz offensichtlich nicht gemeingefährlich war. Und so lief es mehr oder weniger darauf hinaus, dass der Richter mit dem Angeklagten vereinbarte, an welche Einrichtung sich dieser wenden solle und ihm das Versprechen abrang, dies auch tatsächlich zu tun.

Ich selbst hatte außer dem Verlesen der Anklageschrift und der Beantragung des Freispruchs am Ende der Verhandlung mehr eine Zuschauerrolle inne und konnte beobachten, wie bewegt alle Beteiligten von dem Schicksal des Angeklagten waren.

Beide Verhandlungen waren aus rechtlicher Sicht einfach gelagert. Trotzdem, oder gerade wegen ihrer Einfachheit in rechtlicher Hinsicht, haben mich diese beiden Termine am Nachhaltigsten beeindruckt.

Damit sind meine Berichte über die Strafrechtsstation endgültig beendet. Was ich in der Verwaltungsstation erlebt habe, erfahrt ihr beim nächsten Mal…

Bis dahin und viele Grüße,

Carina 🙂

Der Artikel wurde am 19. Mai 2015 von veröffentlicht. Carina absolvierte ihr Referendariat in Nordrhein-Westfalen.