So, mittlerweile bin ich seit 10 Arbeitstagen Rechtsreferendarin und die Einführungsarbeitsgemeinschaft ist mit dem heutigen Tage vorbei. Gemäß Ausbildungsplan kann von mir jetzt also erwartet werden, dass ich einen Überblick über die Funktionen und Arbeitsweisen der Ausbildungsstellen habe, die Grundsätze des Zivilprozessrechts beherrsche und weiß, wie ein Verfahren abläuft. Außerdem soll ich jetzt bescheid wissen über die Gutachtentechnik, den Aufbau von Entscheidungen sowie die verschiedenen Verfahrensarten.
Tatsächlich sind wir im Einführungslehrgang täglich mit großen Schritten durch die ZPO gesprintet… der Einstieg war der Gang des Zivilverfahrens, was bereits für das 1. Examen mal gelernt wurde und nur wieder freigeschaufelt werden musste, aber dann prasselten die neuen Dinge auf uns ein – Schlüssigkeit, Erheblichkeit, Beweiserhebung und -würdiung… und schon saß ich nach dem täglich 5stündigen AG- Präsenzunterrichtspensum nachmittags daheim über den Hausaufgaben. Wir hatten eine Musterakte bekommen – ein älteres bereits abgeschlossenes Verfahren. Nachdem wir uns durch die 140 Seiten gekämpft hatten und erklärt bekamen, wie im Gericht die Aktenzeichen vergeben werden und der gesetzliche Richter ermittelt wird, durften wir uns direkt daran versuchen, einen Aktenauszug zu erstellen. Im nächsten Schritt lautete die Hausaufgabe, einen Sachbericht zu verfassen, bevor wir dann bereits das erste Urteil selbst formulieren sollten. Zur Einschätzung der ersten eigenen Formulierungsversuche bekamen wir dann im Anschluss das Originalurteil zum Vergleich ausgeteilt. Ok, es ging in die richtige Richtung, aber es fehlt wohl doch noch sehr viel Übung… 😉
Der nächste Themenblock schockierte uns zunächst etwas, denn wir sollten Taschenrechner mitbringen. Dabei wollten wir doch getrost dem Motto „judex non calculat“ Juristen werden, weil uns dann die Mathematik erspart bleibt. Aber weit gefehlt, denn schon lernten wir die Baumbachsche Formel kennen und ermittelten munter diverse Kostenquoten. Zugegeben, wenn man es mal verstanden hat, ist das Schema-Rechnen aber zum Glück doch gut zu bewältigen. Als letztes prasselte noch die Thematik der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf uns ein – von wegen, immer schön daheim im „Kochbuch“ mit- und nachlesen! Inzwischen sind die ersten 240 Seiten des Lehrbuchs im Schnelldurchlauf abgehandelt worden – so weit bin ich trotz großer Bemühungen nicht mal ansatzweise mit dem Nachlesen gekommen…
Bisher glaube ich irgendwie nicht daran, dass ich die am Anfang des Posts dargestellten Erwartungen des Ausbildungsplans erfüllen kann. Ich habe zwar viel gehört und viele neue Eindrücke bekommen in den letzten 10 Tagen, aber ich bin doch sehr gespannt, was mich bei meinem Einzelausbilder jetzt erwartet und auch etwas besorgt, ob ich diese Erwartungen erfüllen kann…