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  Ausgabe 31/2025
Donnerstag, der 31.07.2025
     

 / Hessen / Zivilrechtsstation

Ein Aktenvortrag

von

MP900446994Ich berichte von einer Begebenheit, die sich in der letzten Woche unserer Regelarbeitsgemeinschaft im Zivilrecht am Landgericht Darmstadt zugetragen hat.
Es stehen sich die Wünsche des AG Leiters und der AG Teilnehmer gegenüber, die über die Notwendigkeit des Haltens von Aktenvorträgen diskutieren.

Der Sache liegt folgendes Geschehen zugrunde:

Am ersten Tag der AG im November erläuterte der AG Leiter, dass sich die AG-Zeugnisnote zu 50 % aus der Mitarbeit und zu jeweils 25 % aus dem Kurzvortrag und der Klausur ergeben wird.
In der AG Ende Januar wollte der AG Leiter offizielle Aktenvorträge vergangener Examenstermine zu Übungszwecken an AG Teilnehmer austeilen. Diese Kandidaten sollten sich mit dem Fall innerhalb von 60 Minuten Vorbereitungszeit vertraut machen und anschließend den Inhalt in Form eines Aktenvortrags vor dem Rest des Kurses in 10 minütiger freier Rede präsentieren. Die AG Teilnehmer waren von diesem unangekündigten Vorhaben des AG Leiters überrumpelt worden und protestierten. Es hatte gehießen, bevor es mit den Aktenvorträgen los geht, wird dies angekündigt. Sie machten deshalb den Vorschlag, die Aktenvorträge auf das nächste Treffen zu verschieben, weil sie sich zunächst vorbereitend mit den Grundzügen, dem Aufbau und der Darstellung solcher Vorträge vertraut machen wollten.

Der AG Leiter meint, eine gezielte Vorbereitung auf einen Aktenvortrag sei nicht möglich.  Inhaltlich könne alles dran kommen, das Spektrum sei unbegrenzt. In formeller Hinsicht sei der Aufbau selbsterklärend und ergebe sich denknotwendig aus der logischen Herangehensweise an eine Falllösung. Eigenständiges Vorbereiten zu Hause entspräche nicht den Prüfungsbedingungen. Außerdem sei das materiell-rechtliche nicht so entscheidend, er werde vielmehr auf formelle Dinge achten und sich auf die freie Rede konzentrieren. Deshalb sei es erforderlich, den Schritt zu wagen und sich im vertrauten Rahmen der kleinen AG auf diese Aufgabe spontan einzulassen.

Der AG Leiter fordert, dass jeder Teilnehmer spontan einen Aktenvortrag vor dem Rest des Kurses hält.
Die AG Teilnehmer lehnen dies ab.

Sie meinen, dass eine Darbietung von Aktenvorträgen in einem so frühen Ausbildungsstadium noch nicht erwartet werden könne. Zu diesem frühen Zeitpunkt sei es noch nicht möglich gewesen, Erfahrungen im Präsentieren von Entscheidungen zu sammeln. Die meisten Einzelausbilder hätten die Möglichkeit einen solchen Vortrag zu üben bisher nicht angeboten, sodass ein spontanes erstmaliges Auftreten und dann auch noch vor einer so großen Runde eine unüberwindbare Hürde darstelle. Im übrigen sei im Vorfeld noch nicht einmal ein Beispiel zu Übungszwecken vorgestellt worden, sodass die tatsächlichen Erwartungen für die AG Teilnehmer nicht einzuschätzen seien.

Ich schlage vor, der Forderung des AG Leiters zu entsprechen.

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Aktenvorträge sind in der Praxis sehr bedeutsam. Sie sollen es den Kollegen des Berichterstatters ermöglichen, ohne Kenntnis der Akte oder schriftliche Vorinformationen an einer einwandfreien Entscheidung mitzuwirken. Deshalb sind Vorträge kein Selbstzweck sondern müssen bereits in der Ausbildung geübt werden.
Aktenvorträge sind eine notwendige Pflichtleistung im 2. Staatsexamen. Sie werden auch im Ausbildungsplan der Zivilrechtsarbeitsgemeinschaft als Regelleistung aufgeführt.
Der Referendar sollte es aufgrund der Bedeutung des Vortrags nicht als Zumutung seines Ausbilders empfinden, sondern dankbar jede Möglichkeit ergreifen, diese Prüfungssituation zu üben.
Der Vortrag gibt Aufschluss über den Ausbildungsstand und das Leistungsvermögen des Referendars, denn diese mündliche Leistung setzt besondere Fähigkeiten des Referendars voraus. Hierzu zählen insbesondere die geistige Konzentration auf den Kern der Sache, innere und äußere Ruhe, Überzeugungskraft und Urteilsvermögen, sowie klare Denkstrukturen und verständliche Sprache und nicht zuletzt Einfühlungsvermögen in und Rücksichtnahme auf den Zuhörer.
Ein überzeugender freier Vortrag ohne vorherige Übung wird nicht gelingen. Der Referendar muss sich bewusst machen, dass der Vortrag als Visitenkarte zu Beginn der mündlichen Prüfung im 2. Examen wegweisend für den weiteren Verlauf der Prüfung ist. Mit einem gelungenen Aktenvortrag zum Einstieg ist eine gute Basis gelegt.

Auch, wenn der erste Versuch verständlicherweise immer eine besonders hohe Hürde darstellt, sollte sie lieber früher als später genommen werden. Ein vertrautes Umfeld und die gute und kollegiale Atmosphäre in der 13 köpfigen AG bieten das ideale Umfeld, sich in freier Rede zu üben. Außerdem bietet es nicht nur die Gelegenheit sich selbst auszuprobieren, sondern auch die Darstellungen der Kollegen zu verfolgen und so weitere Beispiele und Anregungen mitzunehmen. Es wird sich herausstellen, dass es gar nicht so schlimm ist, zumal eine wohlwollende Bewertung in Aussicht gestellt wurde und die Note weniger bedeutsam ist (eigentlich interessiert sie keinen), als die Erfahrung, es gewagt zu haben. Im übrigen machen 25 % letztendlich so viel auch nicht aus.

Deshalb ziehe ich folgendes Fazit:

1. Der Forderung des AG Leiters ist zu entsprechen.
2. Die Referendare haben die Enttäuschung über die nicht eine Woche im voraus erfolgte Ankündigung zu verdauen.
3. Der Gang in die Bütt wird zeigen, dass auch beim Aktenvortrag nur mit Worten gesprochen wird.

So, oder so ähnlich… 😉

[es steckt natürlich auch ein kleine Portion literarische Freiheit in den Zeilen]

Jedenfalls hat es jeder AG Teilnehmer wesentlich besser hinbekommen, als jeweils persönlich gedacht und die Noten waren sowas von wohlwollend, – es kam wirklich nur auf Formalitäten und freie Rede an – dass wir es kaum glauben konnten und schon gar nicht mehr wissen, warum wir überhaupt diskutiert haben … !

Der Artikel wurde am 10. Februar 2013 von veröffentlicht. Melli war Referendarin in Hessen.