Nach den Klausuren verging die Zeit wie im Flug, da ich doch noch einiges bis zu meiner Abreise zu organisieren hatte. Die Zeit nach den Klausuren und unmittelbar bis zum Abflug war dann auch gefüllt mit Gefühlen wie Vorfreude, schlechter Laune von den Examensklausuren und wiederrum noch mehr Vorfreude. Ab dem Moment, in dem ich im Flieger saß, war dann aber auch der allerletzte störende Gedanke an die Klausuren aus meinem Kopf verschwunden. Und mit examensbereinigtem Gehirn ging es dann in die letzte Station im Referendariat: die Wahlstation.
Ich kam einige Tage vor Stationsbeginn an, so dass ich mich zeitlich und örtlich noch etwas eingewöhnen konnte. Die Eingewöhnungszeit – sowohl im fremden Land, als auch auf der neuen Arbeitsstelle – erfolgte jedoch überraschend schnell und es gefiel mir vom ersten Tag an richtig gut. Das Tätigkeitsfeld auf der Arbeit war sehr abwechslungsreich und ich hatte die Möglichkeit in viele unterschiedliche Bereiche hineinzuschnuppern, wobei der juristische Bereich natürlich den größten Teil ausmachte. In juristischer Hinsicht war es überwiegend zwar nichts examensrelevantes oder etwas, was man zuvor für die Klausuren gelernt hatte, aber das ist es ja selten bei den einzelnen Stationen gewesen und geschrieben waren die Klausuren mittlerweile auch. In der Verwaltungsstation und Anwaltsstation habe ich z.B. auch überwiegend Rechtsgebiete bearbeitet, die für das Examen völlig irrelevant waren. Aber man lernt ja nicht immer nur für das Examen, sondern auch um vielleicht gerade mal Bereiche kennenzulernen, mit denen man vorher noch nicht in Berührung kam – die sich aber für die spätere berufliche Tätigkeit anbieten könnten…oder man lernt auch einfach mal nur für das Leben – was manchmal eine Menge mehr wert sein kann. 🙂
Während der Wahlstation habe ich erneut gemerkt, wie schnell man doch fähig ist, sich in neue Bereiche einzuarbeiten, neue Menschen kennenzulernen und sich an eine fremde Umgebung zu gewöhnen. So ähnlich wird es beim ersten richtigen Beruf ja auch sein. Die Arbeitsbelastung empfand ich als „normal“, d.h. ich arbeite mich weder zu Tode, kann aber auch nicht behaupten, dass ich gar nichts zu tun gehabt hätte und 4 Monate auf Urlaubsstation war. Ich hatte meine Urlaubstage, die ich natürlich auch entsprechend genommen habe (zu verschenken bzw. verfallen zu lassen hab ich ja immerhin auch nichts 😉 ) und war ansonsten aber zu den normalen, üblichen Arbeitszeiten 5 Tage/Woche auf der Arbeit. Arbeit gab es eigentlich immer und mal sollte etwas schneller fertig sein, mal konnte ich mir mehr Zeit lassen. Die Wochenenden habe ich allerdings umso mehr für Ausflüge und Reisen genutzt als ich es in Deutschland jemals tun würde. Dabei spielte natürlich auch eine Rolle, dass die Lebenshaltungskosten und das Reisen allgemein dort im Ausland sehr viel günstiger waren und wenn man seine Station im Ausland absolviert, bietet es sich ja an auch kulturell/touristisch so viel wie möglich mitzunehmen. 🙂
Insgesamt war es eine super Zeit und ich kann jedem, der es sowieso in Erwägung zieht, nur empfehlen und dazu ermutigen seine Wahlstation im Ausland zu verbringen, da es (sehr wahrscheinlich) wohl für die meisten die allerletzte Chance sein wird für einen etwas längeren Zeitraum (also mehr als den 1-2 wöchigen Jahresurlaub) in einem anderen Land wirklich zu leben, zu arbeiten und neue Menschen & Kulturen kennenzulernen. Es ist nicht alles rosarot und es gibt überall (sei es im Inland oder Ausland) auch schwarze Seiten – aber auch die kann und sollte man ja mal erlebt haben. Es mag zudem nicht für jeden etwas sein für einige Monate ins Ausland zu gehen: wer sich gar nicht mit dem Gedanken anfreunden kann für eine gewisse Zeit vom Partner oder Haustier getrennt zu sein (und die freie Zeit und Wochenenden eh nur am Telefon/Skype hängen würde): der sollte es auch nicht auf Teufel komm raus „nur für den Lebenslauf“ (oder was ich bei einigen sonst noch für seltsame Gründe gelesen habe) machen. Das bringt niemandem was und euch selbst wahrscheinlich am Wenigsten – schließlich ist es „eure“ Station mit der ihr das Referendariat gut ausklingen lassen könnt. Aber diejenigen, die ernsthaft in Erwägung ziehen ins Ausland zu gehen, denen kann ich nur sagen: nur zu! Es kostet einiges an Vorbereitung, aber das ist alles machbar – das haben andere auch geschafft. 🙂 Die „perfekte“ Wahlstation ist für jeden letztlich die, was ihr selbst aus diesem freien Zeitraum macht und was euch interessiert. Es ist keine Lebensentscheidung und die Welt dreht sich trotzdem weiter. Ihr könnt euch daher nicht „falsch“ entscheiden und solltet euch bei eurer Wahl vor allem nicht von anderen reinreden lassen, die einem erzählen wollen, ob die Wahlstation hier oder dort „sinnvoll(er)“ ist oder nicht: es sind (nur) 3 bzw. in Niedersachsen 4 Monate: das ist nicht viel im Vergleich zu den Jahren(!) juristischer Ausbildung die ihr bis zu diesem Zeitpunkt bereits hinter euch habt. Macht einfach, was euch Spaß macht: verfolgt bereits bestehende Interessen oder Ziele und verabschiedet euch mit dieser letzten Station gebührend vom Referendariat. In keiner anderen Station habt ihr es so sehr in der Hand euch endlich mal aussuchen zu können wo ihr diese Zeit verbringen wollt.
Egal ob meine Kollegen die Station im Inland oder auch im Ausland verbracht haben, eines hatten wir alle gemeinsam: jeder hat die Wahlstation versuch für sich bestmöglich zu nutzen. Mit bestmöglich meine ich: entweder um ein völliges neues Rechtsgebiet/Aufgabenfeld zu sehen, sein bisheriges Interessengebiet weiter zu verfolgen und/oder aber um ggf. schonmal Kontakte bei einem potentiellen späteren Arbeitgeber zu knüpfen: auch das ist eine gute Idee. Die Wahlstation hat daher aus meinem Bekanntenkreis eigentlich jeder mit als das abschließende Highlight im Referendariat gesehen – was wohl auch der Tatsache geschuldet war, das man sehr viel entspannter in die Station gehen konnte, da das schriftliche Examen und damit der große Brocken (der bis dahin immer wie ein Damoklesschwert über einem schwebte) hinter einem lag…auch wenn man noch nicht wusste, wie man abgeschnitten bzw. ob man überhaupt bestanden hat: aber es war immerhin erstmal geschrieben.
Gegen Ende der Wahlstation begann dann zwar so langsam die Erkenntnis „ach, da war ja noch was – du hast ja vor einigen Monaten Examensklausuren geschrieben“ wieder aufzulodern. Der Termin der Klausurergebnisbekanntgabe rückte näher. Einige Kollegen fingen an sich verrückt zu machen, andere waren in völliger Trance und wiederum andere fuhren eine Strategie, die ich auch für mich entdeckte und gut verfolgte: Verdrängung bis zum Letzten. 😀 Auch wenn es in Niedersachsen keinen festen Termin für die Notenbekanntgabe gibt (von einer Liste wie sie in einigen Ländern vorbildlich existiert ganz zu schweigen), konnte man anhand der vorherigen Durchgänge in etwa abschätzen, wann es wohl so weit sein wird und die Briefe rausgehen. Auf jeden Fall sollten die Ergebnisse im Februar kommen…und das taten sie auch. Dazu mehr in meinem nächsten Beitrag.
Und damit beende ich diesen Beitrag über die Wahlstation mit einem bekannten Spruch von St. Augustine of Hippo („The world is a book, and those who don’t travel only read one page.”) in leicht abgewandelter Form. Meine Empfehlung für die Wahlstation:
The Schönfelder is a book, and those who don’t enjoy their Wahlstation only read paragraphs. 🙂
In diesem Sinne: man liest sich. 🙂
Eure Emily*