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  Ausgabe 20/2024
Dienstag, der 14.05.2024
     

 / Strafrechtsstation

Probelauf für den Sitzungsdienst

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Die Strafrechtsstation gilt als die spannendste und abwechslungsreichste Station, ist aber auch mit dem wohl größten Sprung ins kalte Wasser verbunden – sofern man in der Einzelausbildung einem Staatsanwalt zugewiesen und zur Sitzungsvertretung eingeteilt wird. Weder im Studium noch in den übrigen Stationen des Referendariats trägt man als Rechtsreferendar eine so hohe Eigenverantwortung. Ich hatte zum Glück die Möglichkeit diesen Sprung ein bisschen sanfter vorzunehmen.

Wie ein Strafprozess abläuft und was wir zu beachten haben, erklärte uns unser AG-Leiter in den ersten zwei Wochen der Strafrechtsstation. Außerdem begleiteten wir in Kleingruppen Amtsanwälte zu ihren Sitzungen beim Strafrichter. Auf diese Weise kann man einen sehr realistischen Einblick erhalten, was in der Sitzungsvertretung alles auf einen zukommt– denn Referendare dürfen nur am Amtsgericht und dort auch nur vor dem Strafrichter auf Seiten der Staatsanwaltschaft auftreten. Während einige AG-Kolleginnen und -Kollegen das Glück hatten, an ihren Terminen viele verschiedene Verfahren verfolgen zu können, standen bei den mir zugeteilten Terminen insgesamt nur zweieinhalb Sachen an.

Der erste Tag war recht kurz. Zunächst gab es einen Fortsetzungstermin (die „halbe“ Sache), bei dem nur noch ein weiterer Zeuge gehört wurde. Anschließend hielten Amtsanwalt und Verteidiger ihre Plädoyers und die Richterin verkündete das Urteil. Die zweite Sache an diesem Tag war für uns deutlich spannender: Ein Straßenverkehrsdelikt, bei dem auch die Fahrerlaubnis entzogen werden sollte. Unser Amtsanwalt gab uns in einer kurzen Pause vor dem Termin einen groben Überblick über den Fall und erklärte uns den Unterschied zwischen dem Entzug der Fahrerlaubnis nach §§ 69, 69a StGB und der Erteilung eines Fahrverbots nach § 44 StGB.

Der zweite Tag war noch kürzer. Im Vorhinein hatten wir herausgefunden, dass an diesen Tag fünf Termine anstehen sollten. Bei Gericht angekommen, stellten wir jedoch fest, dass sich das kurzfristig geändert hatte. Der Richter hatte am Morgen vor Verhandlungsbeginn mehrere Termine aufgehoben. Eine Sache blieb übrig: Schwarzfahren, ein Klassiker. Nach nicht einmal einer halben Stunde sprach der Richter sein Urteil und wir fühlten uns nicht wirklich vorbereitet auf das, was in unseren eigenen Sitzungsvertretungen auf uns zukommen würde. Der Amtsanwalt, den wir begleitet hatten, schlug uns freundlicherweise vor, ihn in derselben Woche einen weiteren Tag lang zu begleiten. Ein Kollege und ich nahmen dieses Angebot dankbar an.

An diesem Tag standen insgesamt vier Sachen an und wir durften beide jeweils abwechselnd als Vertreter der Staatsanwaltschaft auftreten. Der Amtsanwalt hatte die Akten kurz vorher mit uns durchgesprochen und erklärt, was wir zu beachten hatten und welche Strafe wir voraussichtlich beantragen sollten. Er selbst saß in den Verhandlungen neben uns und ließ uns eigenständig auftreten. In dem ersten Fall, den ich zu verhandeln hatte, war die Erfüllung des Straftatbestands klar. Allerdings gab es viele strafschärfende und strafmildernde Umstände zu berücksichtigen. Der Amtsanwalt erstellte hierfür während der Verhandlung eine Tabelle mit den strafschärfenden und strafmildernden Umständen und schob mir diese zu. Unter die Tabelle hatte er seine Empfehlung für das Strafmaß geschrieben. Eine mehrmonatige Freiheitsstrafe. Ob ich mit oder ohne Bewährung beantragen wolle, solle ich selbst entscheiden. Ich entschied mich für Bewährung. Nachdem die Richterin antragsgemäß entschieden hatte, schrieb der Amtsanwalt auf den Zettel: „Sie dürfen Rechtsmittelverzicht erklären.“ Die Erklärung, dass die Staatsanwaltschaft auf Rechtsmittel verzichtet, werde ich in meiner Zeit als Referendarin wohl nicht noch einmal abgeben dürfen. Denn im Einführungslehrgang wurden wir mehrfach darauf hingewiesen, dass wir keinen Rechtsmittelverzicht erklären dürfen, da der zuständige Sachbearbeiter sonst keine Möglichkeit hat, gegen das vom Referendar mitgebrachte Urteil vorzugehen.

In der zweiten Sache durfte ich dann nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage einstellen. Auch diesmal kommunizierte der Amtsanwalt schriftlich mit mir. Allerdings musste ich die Höhe der Auflage selbst vorschlagen, gar nicht so einfach, wenn man am Anfang der Station steht und erst zwei AG-Termine hinter sich hat. Mit der Zustimmung zur Einstellung habe ich an diesem Tag noch etwas getan, das man als Referendar zwingend nur nach vorheriger Absprache darf. Wird das Verfahren eingestellt, ist eine Wiederaufnahme nur in sehr engen Grenzen möglich – etwa wenn der Angeklagte bei Einstellung gegen Zahlung einer Geldauflage diese nicht rechtzeitig vornimmt. Daher werden Referendare angewiesen, vor der Zustimmung zur Verfahrenseinstellung die Erlaubnis des Einzelausbilders oder des staatsanwaltlichen Bereitschaftsdiensts einzuholen.

Insgesamt hat mich dieser Probelauf gut auf die darauffolgende eigenständige Sitzungsvertretung vorbereitet. Wenn ich mich noch einmal entscheiden müsste, ob ich direkt ins kalte Wasser springen oder zunächst einen Probelauf starten möchte, würde ich mich erneut für den Probelauf entscheiden. Das eigenständige Auftreten mit einem Amtsanwalt als Back-up hat mir mehr gebracht als das bloße Zuschauen.

Der Artikel wurde am 3. Dezember 2014 von veröffentlicht. Carina absolvierte ihr Referendariat in Nordrhein-Westfalen.