Kurz vor Ende der Station hatte ich Glück und mein Wunsch, eine Durchsuchung mitzuerleben, konnte noch umgesetzt werden.
Morgens pünktlich um 5.00 Uhr stand ich vor der Tür des Polizeipräsidiums und nahm an der (letzten) Einsatzbesprechung teil und nachdem ein schneller Munter-Macher-Kaffee getrunken war, ging es auch schon los. Ich fuhr mit drei Polizeibeamten in einem zivilen Polizeiauto in die Nähe des Einsatzortes. Dort warteten wir dann zunächst. Im Vorfeld wurde ermittelt, dass der Beschuldigte immer gegen 6.15 Uhr das Haus verlässt. Da er noch in der elterlichen Wohnung lebt, sollte er direkt vor dem Haus festgenommen werden. Kurze Zeit später klingelte das Telefon und uns wurde mitgeteilt, dass der Zugriff der Schutzpolizei erfolgreich war und wir den Beschuldigten übernehmen könnten. Wir fuhren also zum Ort des Geschehens, wo sich ein Bild, wie in einem Krimi bot: Der Beschuldigte lag bäuchlings auf dem Boden, die Schutzpolizisten (die mit zivilen Motorrädern gekommen waren) hatten Sturmhauben auf und waren gerade dabei, dem Beschuldigten Handschellen anzulegen. Der Einsatzleiter übernahm diesen dann, setzte den Beschuldigten in das Auto, mit welchem wir gekommen waren, eröffnete ihm den Festnahme- und Durchsuchungsbeschluss und belehrte ihn ordnungsgemäß. Es fuhr ein Polizeiwagen vor, mit welchem der Beschuldigte eigentlich direkt in Untersuchungshaft gebracht werden sollte. Allerdings sah aufgrund des Menschenauflaufs direkt neben dem Haus die Mutter des Beschuldigten aus dem Dachfenster, die sichtlich geschockt war und erstmal zusammen brach. Weil diese kein deutsch verstand und der Beschuldigte sich fügsam zeigte, nahmen wir ihn deshalb zunächst doch nochmal mit hinauf, damit er seiner Mutter erklären konnte, was gerade passierte.
Derweil begannen wir dann, das Zimmer des Beschuldigten zu durchsuchen – wir wollten insbesondere Handys und SIM-Karten, sowie Bargeld oder Hinweise auf Weiterverkauf der Hehlerware finden. Der Beschuldigte beteuerte, wir würden nicht fündig werden. Obwohl das Zimmer nur etwa 9 qm groß war, hielten wir uns gute 3 Stunden damit auf, den Inhalt zu inspizieren. Der Herr war sehr ordentlich und platzsparend veranlagt, er bewahrte alle seine Utensilien in Schachteln und Boxen innerhalb von weiteren Kartons, Schachteln und Boxen auf. So ein bischen, wie dieses Matroschkasystem. In der 10. Schachtel in der Schachtel erspähten wir dann einerseits das Gesuchte, andererseits diverse Zufallsfunde a la illegale Waffen, Betäubungsmittel, Feinwaagen, diverses Bargeld und freundlicherweise jeweils direkt in der gleichen Schachtel diverse Visitenkarten – vermutlich der Vertragspartner. In der Zwischenzeit war der Vater nach Hause gekommen, der auch nicht fassen konnte, was er sah und versuchte, für alles eine Ausrede oder Erklärung aus der Vergangenheit des Sohnes zu finden, warum er dies und jenes besitzt und es aber doch nicht verwerflich sei… wir verpackten alles fein säuberlich in diverse Tüten, fertigten die Etiketten, protokollierten, zählen genau nach und führten hinterher all das, was wir beschlagnahmten nochmals den Eltern vor, bevor wir mit der „Ausbeute“ den Ort des Geschehens wieder verließen… alles in allem eine sehr spannende Sache! War sehr interessant, das mal mitzuerleben, auch wenn ich mich dafür mitten in der Nacht aus dem Bett quälen musste. 🙂
Besuch einer Justizvollzugsanstalt
Ein weiteres Highlight war der Besuch unserer AG in der JVA 3 in Frankfurt, einem Frauengefängnis. Wir wurden drinnen von einer Beamtin des allgemeinen Vollzugsdienstes empfangen. Sie war eine sehr interessante Persönlichkeit, die uns mit lauter durchdringender Stimme sehr lebendig, humorvoll und facettenreich von ihrem Arbeitsalltag erzählte. Zunächst gab es einen Überblick zur Einrichtung. Die JVA III ist seit 1955 die zentrale Haft- und Untersuchungshaftanstalt für Frauen in Hessen. Sie umfasst vier Bereiche – Untersuchungshaft, Kurzzeithaft, Langzeithaft, offenen Vollzug – sowie die deutschlandweit einzige Sicherungsverwahrung für Frauen.
Auch historisch gesehen besteht das Gelände aus vier Bereichen.. Das älteste Gebäude ist ein großer Backsteinbau mit kleinen Fenstern, offenen Treppenhäusern und Zellentüren, die nach innen aufgehen. Als wir dort durch liefen, war es wirklich ein beklemmendes Gefühl, jedes Wort hallte durch das gesamte Gebäude, das Schließen der Türen hallte nach und war bereits von weitem zu vernehmen. Die Zellen an sich waren klein, eng, ziemlich dunkel und sichtbar alt.
Das nächste Gebäude war deutlich neuer und hatten eine eher offene Bauweise. Die Zellen lagen auf verschiedenen Fluren, die immer als eine Wohneinheit verstanden wurden und in deren Mitte sich eine Gemeinschaftsküche befand, in welcher die Frauen in der Freistunde z.B. gemeinsam kochen konnten oder am Tisch sitzen, sich unterhalten oder stricken können. Am Kopfende der Wohneinheit war hinter großer Glasscheibe das Zimmer der Bediensteten, damit die alles beobachten können, was passiert. Die Zellen in diesem Bereich sind deutlich moderner und einfach eingerichtet, ähnlich wie in einem Wohnheim – nur, dass eben Gitter vor den Fenstern sind. Eigentlich wirkte es so ganz freundlich, aber wenn man sich bewusst macht, dass es die Freiheit ist, die entzogen wird und es einem nicht möglich ist, zu essen und trinken, wann man will, rauszugehen oder sich zu bewegen … und die Frauen stattdessen stundenlang in der kleinen Zelle sitzen, dann bringt wohl auch ein in freundlichem weiß eingerichteter Raum keinen echten Mehrwert im Vergleich zu den Zellen im älteren Gebäude…
Sehr schockierend fanden wir den Bereich des offenen Vollzugs, der Müttern mit kleinen Kindern bis zu drei Jahren vorbehalten ist. Die kleinen Kinder leben mit ihren Müttern dort im Gefängnis, sollen aber nicht merken, dass sie eingesperrt sind. Auf dem separat eingemauerten Hof befindet sich ein Kinderspielplatz, z.B. mit Rutschen, Sandkasten und bunten Flächen auf dem Boden, außerdem lagen Spielsachen überall verstreut, Bobbycars und Kinderwägen standen dort. Demnächst sollen die Betonwände von innen noch bunt angemalt oder gesprayt werden, damit dieser Bereich noch freundlicher wirkt. Im Gebäude selbst befindet sich ein großes Spielzimmer mit allem, was kleine Kinder so brauchen. Die Zellen befinden sich im oberen Teil des Hauses, den wir nicht anschauen konnten. Es wurde uns erzählt, dass Kinder bis zum 3. Lebensjahr mit dort wohnen würden, weil sie das sowieso noch nicht so richtig realisieren .. ich fand es sehr deprimierend und bin mir nicht sicher, ob nicht auch so kleine Kinder ihre Umgebung schon genauestens wahrnehmen…
Als nächstes haben wir uns noch den neuen, umgebauten Bereich der Sicherungsverwahrung angeschaut. Die Zimmer (sie heißen nicht Zellen! 😉 ) sind etwas komfortabler, als die Zellen. Sie bestehend aus Wohnbereichen mit großen Fenstern, die einen separaten Schlaf und Wohnbereich vorsehen und ganz modern eingerichtet sind mit IKEA Möbeln. Auch dieser Bereich ist als Wohngruppe angelegt, sodass es einen Gemeinschaftsraum mit Tischen und Küchenzeile gibt. Allerdings wird dieser Bereich bisher nur von einer Verwahrten genutzt, die dort ohne Anschluss allein sitzt. Insgesamt gibt es in Deutschland wohl maximal 5 Frauen mit Sicherungsverwahrung, aber die anderen seien nicht WG-fähig, weshalb sie nicht nach Frankfurt verwiesen wurden.
Das Areal an sich ist kreisförmig angelegt, wir kamen bei unserem Rundgang noch an der Turnhalle vorbei und dem Mehrzweckgebäude, in welchem sich ein kleiner Einkaufsladen befindet, in welchem sich die Frauen alle zwei Wochen dienstags von ihrem verdienten Geld etwas aus den Regalen dort kaufen können. Außerdem gibt es dort noch einen Frisör – die Frauen haben vier mal im Jahr Anspruch auf einen Haarschnitt (nur schneiden, nicht färben oder ähnliches) auf Staatskosten. Im letzten Raum befindet sich dann noch eine Bibliothek, in der sie sich Bücher ausleihen können. Wobei dies hauptsächlich von den Frauen in der Untersuchungs- oder Kurzzeithaft genutzt wird. Diejenigen, die länger dort sind, kaufen sich von ihrem in der Haft verdienten Geld (max. ca 210 €, die sie zur Verfügung haben) meistens einen Fernseher für ihr Zimmer. Alternativ ist wohl auch eine Playstation 1 erlaubt – es gibt Kataloge in der JVA, wo genau drin steht, welche Gegenstände und technischen Geräte, in welcher Größe und mit welcher Ausstattung in den Zellen erlaubt sind.
Bevor ich zum Schluss komme mit meinem Bericht, muss ich noch etwas ganz besonderes erwähnen: das Frauengefängnis in Frankfurt ist das einzige, in welchem Zivilkleidung getragen wird. Wenn man dort über den Hof läuft, ist es oft auf den ersten Blick nicht erkennbar, ob die entgegenkommenden Frauen Wärterinnen oder Häftlinge sind. Frankfurt III hat diesbezüglich eine Sondergenehmigung, weil bei der Haft der Resozialisierungsgedanke im Vordergrund steht und für Frauen Kleidung einen Großteil der Identität ausmacht. Viele der dort Inhaftierten haben selbst in der Vergangenheit Schlimmes erlebt, was ihr Selbstbewusstsein und ihre Persönlichkeit schwächt, sodass durch das Tragen von eigener Kleidung eine eigene Identität gewahrt und gestärkt werden soll, um sie auf das spätere Leben „draußen“ vorzubereiten. Auf die Frage eines Kollegen, warum das bei den Frauen erlaubt ist, bei den Männern aber nicht, reagierte die Vollzugsbeamtin mit einer Gegenfrage: „Kennen Sie den Unterschied zwischen lila und lavendel?“ Männer legen auf Kleidung nicht so viel Wert, im übrigen kommt es in Männerhaftanstalten viel häufiger zu gewalttätigen Übergriffen, sodass individuelle Kleidung ein weiteres Risiko birgt. Im Frauengefängnis Frankfurt ist es bisher noch nicht zu Gewalttätigkeiten oder anderen Problemen bzw. Verstärkung von Problemen aufgrund der individuellen Kleidung gekommen.
Es war wirklich beeindruckend und auch etwas erschreckend eine Justizvollzugsanstalt von innen zu sehen – insbesondere die kleinen Kinder im offenen Vollzug haben mich sehr schockiert und die modernisierte aber kaum gebrauchte Sicherungsverwahrung sehr erstaunt.