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  Ausgabe 42/2025
Dienstag, der 14.10.2025
     

 / Anwaltsstation / Hessen

Start in der Anwaltskanzlei

von

Mit großen Schritten geht es weiter – seit zwei Wochen darf ich einen Schreibtisch in einem Doppelbüro einer Frankfurter Kanzlei mein Eigen nennen! Ich sage euch, das ist ein ganz neues, wirklich besonderes Gefühl! Bisher gehörte ich zu der Sorte Referendare, die in ihrem Stationen immer einen Stapel Akten in die Hand gedrückt bekamen, um sie zu Hause zu bearbeiten und anschließend nach erfüllter Aufgabe fertig wieder zurück zu bringen. Jetzt gibt es im hell durchfluteten Büroraum, den ich mir mit einer anderen Referendarin teile, einen großen Schreibtisch mit Laptop und zusätzlichem größeren Monitor, auf dem ich mich ausbreiten und auch abends alles stehen und liegen lassen kann. (Im Gegensatz zur bisherigen Zeit ist es in der Kanzlei Referendaren strengstens untersagt, Akten mitzunehmen.)

Der Auftakt war sehr gut. Am ersten Tag bin ich von der Assistentin meines Ausbilders in Empfang genommen, bekam mein Büro gezeigt, wurde mit der zu nutzenden Technik vertraut gemacht und anschließend bei einem ausgiebigen Rundgang den zahlreichen Kollegen vorgestellt. Zugegeben, ich konnte mir die wenigsten Namen merken, aber immerhin hat mich so jeder schon mal gesehen, sodass niemand verwundert ist, wenn ich über den Flur laufe. Die Atmosphäre in der Kanzlei ist sehr angenehm – die Türen sind eigentlich immer alle offen, auf dem Flur wird immer freundlich gegrüßt und die Kollegen sind (so gut wie) alle per Du. Die Assistentin sagte mir gleich, dass bei Ihnen normal wäre, dass jedenfalls die Referendare und die Assistentinnen aufgrund gleichen Alters sich dutzen. Auch mein Ausbilder bot mir direkt bei der Begrüßung das „Du“ an und schnell merkte ich, dass das für alle Anwälte in meinem Team galt. Nachdem die ersten Hürden bei der Anmeldung eines neuen Nutzeraccounts im Intranet genommen und ich die Nutzung der kanzleiinternen Aktenbearbeitung erklärt bekommen hatte, bekam ich eine erste Recherche-Aufgabe.

Eine eigene Kantine gibt es in der Kanzlei nicht, aber da sie ziemlich zentral in der Frankfurter Stadtmitte liegt, ist es üblich, mittags dort Essen zu gehen. Da an meinem ersten Tag wegen Gerichtsterminen allerdings nur wenige Kollegen zur Mittagszeit im Haus waren, ging ich gemeinsam mit meinem Ausbilder essen. Er schlug ein Bistro in unmittelbarer Nähe vor, das diverse Mittagsangebote hatte. Während der Stärkung interessierte er sich für meine Freizeitaktivitäten und Zukunftspläne und ich befragte ihn zu seinem persönlichen Werdegang, sowie den Gepflogenheiten im Team. Gut gestärkt und eine großzügige Zeigerumdrehung später, ließ er es sich nicht nehmen, mich einzuladen, bevor wir uns auf den Weg zurück ins Büro machten.

Die nächste Aufgabe war schon etwas herausfordernder – ich sollte Anfragen zu Besonderheiten bei grenzüberschreitenden Verträgen prüfen und die entsprechende englische eMail auch in englisch beantworten. Bald drauf war es draußen schon wieder dunkel und als die Aufgabe erledigt war, durfte ich meinen ersten Arbeitstag beenden und den Heimweg antreten.

Am nächsten Morgen lernte ich dann meine Bürokollegin kennen. Es war noch relativ ruhig auf dem Flur, alle trudelten erst so nach und nach ein. Auffällig war jedoch, dass der erste Weg bei fast jedem zunächst zur Kaffeemaschine führte. Es gibt einen Vollautomaten, der von heißem Wasser oder heißer Schokolade über Cappuccino bis zum Kaffee alles denkbare in diversen Größen bereithält. Für die Liebhaber von Kaltgetränken gibt es auch einen Kühlschrank mit einem reichhaltigen Angebot an Säften, Softdrinks und Sprudel. Das beste daran – man darf sich kostenfrei bedienen!

Am zweiten Tag bekam ich die erste „echte“ Akte, zu der ich zur letzten Anfrage des Gerichts eine Antwort verfassen sollte – selbstverständlich nachdem ich die sinnvollste Fortsetzung des Verfahrens überprüft hatte. So langsam war es allen bewusst, dass endlich wieder eine Referendarin da ist und so nach und nach standen die Kollegen bei uns im Büro und brachten mir Arbeitsaufträge. Die Aufgaben, die ich bisher bekommen habe, streiften unterschiedliche juristische Themengebiete, mussten mal auf deutsch oder auch englisch erledigt werden und lassen sich in kurzfristige Rechercheaufträge oder eMail-Beantwortungen, sowie etwas längerfristige Stellungnahmen zum aktuellen Stand des Verfahrens und sinnvoller Weiterführung oder das Erstellen eines Schriftsatzes unterscheiden. Ich bin gespannt, wie es in den nächsten Tagen und Wochen weitergeht und was für Einblicke ich in die anwaltliche Tätigkeit und die juristischen Themengebiete bekommen werden.

Im weiteren Verlauf der Woche bekam ich dann noch eine Einführung in die Kanzlei-Bibliothek, deren Online-Auftritt und die Möglichkeiten zur Literaturbeschaffung oder Einsicht in Formular-DVDs.

Die ersten zwei AG-Stunden hatte ich natürlich mittlerweile auch schon – allerdings muss ich da zugeben, dass ich in den letzten drei Monaten (die ich ja in Speyer verbrachte, während die anderen aus der hiesigen AG ihre Zeit beim Anwalt schon begannen) viel verpasst habe, sodass es mir schwer fiel, dem Unterricht zu folgen… ich hoffe, dass ich da irgendwann den Anschluss wieder finde, jetzt habe ich mir erstmal die ganzen bisherigen Unterlagen kopiert, aber das will natürlich alles auch noch gelernt und nicht nur abgeheftet werden…

Mein guter Vorsatz, ab der Zeit in der Kanzlei auch einen Klausurenkurs zu machen bleibt (vorerst) wohl unerfüllt, denn direkt zu Beginn habe ich es nicht geschafft, mir die Zeit zu nehmen und nach den ersten AG-Stunden setzte ich das Lückenfüllen ganz oben auf die Agenda. Insgesamt muss ich aber zugeben, dass die Zeit wirklich rar ist – so ein Tag in der Anwaltskanzlei ist verdammt lang, dann kommt noch die Fahrtzeit dazu und wenn ich abends daheim bin, ist nicht mehr viel mit Lernen, denn da bin ich ziemlich platt…

Gestern gab der Briefkasten ein Schreiben des JPA zur Anfertigung der Aufsichtsarbeiten preis – schwarz und fettgedruckt sprangen mir die Daten meiner Examensklausuren entgegen – da wurde mir so richtig klar, dass es nicht mehr so weit weg ist, wie ich mir bisher immer eingeredet habe … und noch viel zu viele Wege durch den Dschungel zugewachsen oder gänzlich unerkannt sind… (natürlich weiß ich schon ziemlich lange, wann meine Klausuren anstehen, aber es so schwarz auf weiß in den Händen zu halten ist doch nochmal etwas ganz anderes…!)

Der Artikel wurde am 21. Februar 2014 von veröffentlicht. Melli war Referendarin in Hessen.