Kennt ihr diese Frage „Wo siehst du dich in xx Jahren?“? Ich muss zugeben, dass mich die klassischen juristischen Berufe eher weniger reizen, ich könnte mir vielmehr vorstellen, mal im Unternehmen, einem Verband, bei einem Verlag oder in anderen Nischen (wie es immer so schön heißt) zu arbeiten. Zu Beginn des Referendariats informierte ich mich daher über die verschiedenen Möglichkeiten von Stationen und späteren Arbeitsplätzen für Juristen.
Als ich mich von einer Seite zur nächsten durch das Internet klickte, fand ich eine Stellenausschreibung für eine Wahlstation oder Nebentätigkeit in einem mittelständischen Unternehmen der Region. Da es sich spannend anhörte, bewarb ich mich kurzentschlossen per eMail mit den gängigen Dokumenten (Anschreiben, Lebenslauf, Examenszeugnis, einschlägige Nachweise). Schon eine Woche später erhielt ich dann einen Anruf und wurde zu einem Vorstellungsgespräch mit dem Leiter Personal und meinem späteren Chef eingeladen. Das Gespräch war sehr entspannt und angenehm – mir wurde kurz das Unternehmen vorgestellt und etwas umfangreicher dann das Tätigkeitsspektrum, welches ich bearbeiten würde – und während ich noch auf dem Heimweg war, erhielt ich schon einen Anruf, dass ich gerne bei Ihnen im Unternehmen anfangen dürfte. Mit so einer schnellen Zusage hatte ich natürlich nicht gerechnet!
Bereits in der darauffolgenden Woche hatte ich meinen ersten Arbeitstag. Ich wurde von meinem Chef empfangen, in die Konzernstrukturen eingeweiht und allen Kollegen in der Personal- und Rechtsabteilung vorgestellt. Ich bekam einen Arbeitsplatz im Großraumbüro der Personalabteilung, wo ich bei heller, freundlicher Atmosphäre und eigentlich grundsätzlich guter Laune, sowie oft Kuchen oder Plätzchen ;), an einem Internet-PC meine Aufgaben bearbeitete. Ich prüfte Sachverhalte, die im Zusammenhang mit der Arbeit der Personalabteilung ans Licht kamen – überwiegend arbeitsrechtliche, sozialrechtliche und wettbewerbsrechtliche Fragestellungen. Dazu konnte ich dann mit den Suchmaschinen recherchieren und anschließend „Interne Mitteilungen“ verfassen, in denen ich kurz den Sachverhalt zusammenfasste, die Prüfungsfrage genau formulierte und dann die rechtlichen Gesichtspunkte darlegte um letztlich zu einem Ergebnis und einer Handlungsempfehlung zu gelangen.
Nach Rücksprache mit und Überprüfung durch meinen Chef konnte ich im zweiten Schritt dann die Handlungsempfehlung umsetzen und schrieb zum Beispiel einen Info-Brief für das Intranet, stellte Leitfäden für das Verhalten in bestimmten Situationen zusammen, die dann im Intranet veröffentlicht wurden, formulierte Abmahnungen, änderte Passagen aus Verträgen oder fügte neue Klauseln ein, erstellte einen Fristenplan für den Ablauf der Aufsichtsratswahl… die Aufgaben waren sehr vielfältig und oft auch nur auf den zweiten Blick wirklich juristisch, aber gerade deshalb sehr spannend, weil es Dinge aus dem Arbeits- und Alltagsleben waren, die die Arbeitnehmer oder die Konzernunternehmen aktuell beschäftigten.
Dieser Nebenjob ließ sich wunderbar mit den jeweiligen Aufgaben der Station vereinbaren, weil mein Chef total flexibel war und mir die Zeiteinteilung eigentlich komplett selbst überließ. Ich war auf geringfügigen Basis angestellt und sollte 37,5 Stunden im Monat leisten. Die konnten sich auf vier oder bis zu acht Tage erstrecken, je nachdem, ob ich mittags nach der AG bzw. anderer Stationstätigkeit noch ein paar Stunden kommen wollte oder einen ganzen Tag Zeit hatte. Immer wenn ich ging, fragte mein Chef nur, wann ich das nächste Mal da sein werde und stellte sich dann darauf ein und versorgte mich für den entsprechenden Tag mit Arbeit.
Kommen und gehen konnte ich normalerweise auch wann ich wollte, denn ich bekam eine Karte für die elektronische Zeiterfassung, sodass ich völlig flexibel war. Es hat mir echt Spaß gemacht und ich war immer gerne dort, weil die Arbeit und Themen sehr abwechslungsreich waren und die viele gelernte Theorie mit Leben füllten. Ich konnte viel lernen und insbesondere erlangte ich dabei auch die schöne Erkenntnis, dass Jura nicht immer nur hochgestochen klingen und in unverständliche Texte mit Endlossätzen und zig Paragraphen münden muss, sondern es im Gegenteil auch eine ziemliche Herausforderung sein kann, die juristischen Dinge so einfach und verständlich zu formulieren, dass sie wirklich jeder verstehen kann.
Der Hauptunterschied dieser Syndikus Stellung zur anwaltlichen Tätigkeit dürfte darin liegen, dass der Unternehmensjurist hauptsächlich beratend tätig wird und Handlungsempfehlungen abgibt, letztlich aber meistens nicht entscheidet, weil für die endgültige Entscheidung oft auch wirtschaftliche Gesichtspunkte noch mit zu berücksichtigen sind, sodass die entsprechenden Abteilungen die endgültige Entscheidung selbst fällen. Die acht Monate im Unternehmen waren in jedem Fall eine tolle Erfahrung! Ich kann jedem, der sich für die Arbeit eines Syndikus-Anwalts interessiert nur raten, eine Station oder einen Nebenjob in einem Unternehmen zu machen, denn diese Tätigkeit kommt im Referendariat an sich leider ziemlich kurz und ist doch überaus spannend. Leider schaffe ich es aber jetzt mit Beginn der Zeit in der Anwaltskanzlei nicht mehr, neben den Tagen in der Kanzlei und einem AG-Tag auch noch nebenbei zu arbeiten, denn ein bisschen Zeit zum Lernen sollte schließlich auch noch bleiben… die Arbeit als Syndikus könnte ich mir aber definitiv als meinen Wirkungskreis für die Zukunft vorstellen. 😉