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  Ausgabe 18/2025
Donnerstag, der 01.05.2025
     

 / NRW / Zivilrechtsstation

Referendariat in OWL (7) – Erste Sitzungsleitung

von

Letzte Woche war es soweit. Nach § 10 GVG durfte ich die Leitung der Sitzung in einem Verkehrsunfall übernehmen, wobei Beschlüsse etc. wieder von der Richterin übernommen wurden. Und vorab gesagt, es war eine echte Erfahrung. Vor allem deshalb, weil es nicht so wie geplant lief. Die Vorbereitung der Sitzung durch das Votum war nicht schlecht (es gab 12 Punkte durch den Ausbildungsrichter!). Doch das das alles nicht unbedingt viel Wert ist, zeigt sich dann, wenn man mit diesem gefundenen Ergebnis mit den Parteien interagieren muss. Im Einzelnen:

Da in dem Unfallprozess bereits 50% von der verklagten Haftpflicht reguliert waren, habe ich einen Vergleichsvorschlag entwickelt, nachdem der Kläger noch weitere 16 % verlangen kann. Ich habe echt lang bei beck-online bei „Grüneberg, Haftungsquoten“ gelesen und war mir zum Ende sicher, dass man eine Quote von 66 % für den vorliegenden Unfall mit Linksabbieger und Überholer durchaus vertreten kann. In der Güteverhandlung stellte ich dann meinen Vorschlag ausführlich vor. Doch machte mir der Anwalt auf Beklagtenseite direkt einen Strich durch die Rechnung, weil er zu einer vergleichsweisen Einigung überhaupt nicht bereit war.

Warum? Das erfuhr ich, nachdem ich den Kläger gem. § 141 ZPO informatorisch angehört hatte. Er konnte zum Unfallhergang nicht wirklich etwas sagen („Plötzlich stand der Beklagte in meiner Spur“), verwickelte sich in Widersprüche und hat damit seinen eigenen Parteivortrag erheblich entwertet. Also eine Konstellation in der sich eine Partei um Kopf und Kragen redet. Darauf war ich absolut nicht vorbereitet. Auf das Angebot des Ausbildungsrichters, die Sitzungsleitung wieder zurückzuübernehmen, bin ich dann auch eingegangen. Denn gerade bei einer Zeugenaussage, die nicht chronologisch aufgebaut ist und bei der kaum Verwertbares enthalten war, fiel mir eine Zusammenfassung sehr schwer. Dies auch deshalb, weil ich auf meinem Schmierzettel zu viel ausformuliert hatte und die Aussage daher gar nicht zu 100% wiedergeben konnte. Die ursprüngliche Linksabbieger/Überholer-Situation stellte sich spätestens nach der Anhörung des Beklagten als eigentlicher Auffahrunfall dar. Somit eine echte Überraschung – das eigentliche Geschehen stellte sich wie bei Richterin Barbara Salesch im Laufe der Verhandlung ganz anders dar. Auf sowas kann man sich leider im Vorfeld mit dem Ausbildungsrichter nicht abstimmen!

Im Endeffekt war es doch eine Erfahrung. Innerlich war ich doch recht enttäuscht von mir. Doch der Ausbildungsrichter meinte dann, dass es o.k. für eine erste Sitzung gewesen sei. Schließlich hatte ich immerhin die Formalien des Sitzungsprotokolls bis zu diesem Zeitpunkt und das Diktiergerät – halbwegs – im Griff. Einzige Kritik war denn auch, dass meine Fragen an die Parteien nicht offen genug waren. Ich habe vielmehr recht suggestiv gefragt, weil ich bestimmte Dinge hören bzw. nicht hören wollte. Daran sollte ich noch arbeiten. Ich hoffe, es gibt demnächst noch einmal Gelegenheit, eine Sitzung zu leiten. Das Problem ist eigentlich nicht so sehr die Nervosität sondern fehlende Erfahrung, wie man mit bestimmten Situationen umgeht. In der theoretischen Referendarsliteratur bzw. der AG fehlen m.E. die Praxistipps für diese mündliche Bewährungsprobe.

Der Artikel wurde am 24. Juni 2010 von veröffentlicht. Kai hat sein Referendariat in NRW gemacht.