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  Ausgabe 25/2025
Sonntag, der 22.06.2025
     

 / NRW / Strafrechtsstation

Referendariat in OWL (15) – Sitzungsvertretung Teil 3

von

Vorgestern war mein letzter Sitzungsdienst. Auf der einen Seite bin ich erleichtert, nicht mehr eingesetzt zu werden. Denn die Sitzungsvorbereitung benötigt schon Einiges an Zeit. Auf der anderen Seite muss ich aber einräumen, dass mir die Rolle als Staatsanwalt gefallen hat. Immerhin ging ohne den Referendar in der Hauptverhandlung nichts, was Einstellungen, Strafbefehl bei Ausbleiben des Angeklagten etc. anging. Juristisch stand man somit auf eigenen Beinen, auch wenn man auch ungefähre Vorgaben zu berücksichtigen hatte.

Man muss vor dem Sitzungsdienst keine Angst haben. Das sagt sich naturgemäß leicht, wenn man die Sitzungen bereits absolviert hat. Es ist aber wirklich so. Im Schussfeld der Hauptverhandlung durch den Verteidiger steht eigentlich immer der Richter. Höchstens im Plädoyer der Verteidigung bekommt man als Staatsanwalt schonmal Kritik ab. Über dieser Kritik muss man jedoch stehen 😉

An einigen Beispielen möchte ich zeigen, dass Sitzungsdienst sehr machbar ist (auch wenn man nicht sonderlich redebegabt ist):

  • Dünne Handakte: Ich habe NIE die Hauptakte des Richters gebraucht. In 90 % der Fälle war die Anklage wasserdicht. Ich habe die Richter immer vorher angerufen, mich vorgestellt und nach Problemen gefragt. Wenn da dann vom Richter nichts kommt, läuft das auch in der Hauptverhandlung. In 10 % der Fälle war die Anklage dünn, die Zeugen widersprüchlich u.ä. Dann hilft einem auch die Hauptakte nichts. In diesen Fällen läuft es häufig auf einen Freispruch hinaus. Deutlich wird dies vorallem dadurch, dass der Richter nach dem Einverständnis fragt, die Entlastungszeugen nicht mehr zu hören.
  • Schulklasse: Ich hatte eine Rechtskunde-AG der örtlichen Hauptschule hinten drin sitzen. Das war total unproblematisch. Für die 2-3 Ermahnungen und die Beantwortung der Fragen war hier der Richter und nur ausnahmsweise ich zuständig.
  • Verteidiger: An 6 Sitzungstagen mit insgesamt über 40 Sachen waren 2 Verteidiger auf Konfrontationskurs. Einer wollte die Rückrechnung bei der BAK nicht verstehen, ein anderer wollte noch 2 Beweisanträge stellen, die das Verfahren verzögert, aber nichts bewirkt haben. Alle anderen Verteidiger blieben mehr oder weniger unauffällig.
  • Jugendgericht: Hier hatte ich persönlich den größten Respekt vor. Ist aber nichts besonderes, wenn man sich kurz die besonderen Sanktionen angeschaut hat.
  • Nachtragsanklage: Kam bei mir nicht vor. Realistisch ist hingegen, dass der Richter einem beim Anruf mitteilt, welche Verfahren er gegen denselben Beschuldigten gerne verbinden möchte. Dann ruft man den Ausbilder an und organisiert die weiteren Handakten. In die Handakten macht man dann große Knicke rein, um bei den vielen Handakten dann noch den Überblick zu behalten.
  • Beweisaufnahme: M.E. widersprechen sich die Zeugen im Strafprozess sehr häufig. Man muss sich dann sein eigenes Bild von der beschriebenen Situation machen. Es gibt hier kein richtig oder falsch. Falls einem die Argumente für eine Verurteilung fehlen, kann man notfalls auch den Ausbilder anrufen (1x gemacht). Das ist manchmal ganz hilfreich, um in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen die eigene Entscheidung begründen zu können.
  • Haftvorführungsbogen: Sofern ein Angeklagter zum Termin aus Haft vorgeführt wird, muss man einen Bogen mit dem Ergebnis der Hauptverhandlung ausfüllen. Ich habe den Bogen immer an den Richter weitergereicht;)
  • Fragerecht des Staatsanwalts: Ich habe selten ergänzende Fragen an den Angeklagten oder Zeugen gestellt. Oft hat der Richter alles Relevante schon gefragt.
  • Überraschung wie in Gerichtsshows: Kommt selten vor, insbesondere dann, wenn sich die Leute bei der Polizei nicht eingelassen haben oder die Polizisten die Aussage anders wiedergegeben haben. Oft geht es aber nur um einen Freispruch. Ein Tatverdacht gegen andere Personen oder eine Falschaussage musste ich nie unter „Besonderes“ in die Handakte eintragen.

Als letzten Tipp kann ich noch die Bücher zum Sitzungsdienst von Theiß und das andere von Deventer empfehlen. Ich hatte beide in der Tasche, um für bestimmte Konstellationen schnell nachschlagen zu können (und nicht anrufen zu müssen).

[Bildnachweis: „Unter Verschluss“ von Knipsermann; some rights reserved; Quelle: www.piqs.de]

Der Artikel wurde am 19. Oktober 2010 von veröffentlicht. Kai hat sein Referendariat in NRW gemacht.