Nach einem Monat Anwaltsstation muss ich sagen, ich bin von der Anwaltstätigkeit positiv überrascht. Vor dem Referendariat hätte ich nicht gedacht, dass ich das einmal sagen werde. Denn hört man sich mal bei Referendaren oder Jurastudenten um, will nur ein verschwindend geringer Bruchteil Anwalt werden. Dies mag an langen Arbeitszeiten (im Vergleich zum öffentlichen Dienst) und am großen Wettbewerbsdruck zwischen den Anwälten liegen. Aber auch der Umstand, seinen Mandanten stets Honig ums Maul schmieren zu müssen, ist auf lange Sicht keine tolle Vorstellung. Das dachte ich lange Zeit auch.
Im Einführungslehrgang berichten dann unterschiedliche Anwälte von ihrer Sicht auf die Dinge. Und da gibt es dann natürlich die Vertreter mit der „Das-Boot-ist-voll“-Doktrin, die einem vorrechnen, für wie viele Euro man Rechnungen an die Mandantschaft schreiben muss, um am 31. des Monats 3.000 Euro nach Steuern und Sozialabgaben (man müsse für 14.000 Euro inkl. MwSt Rechnungen schreiben). Das war jetzt nicht unbedingt die beste Werbung. Viel Mühe hat sich auch der Vertreter der Landesanwaltskammer gegeben, um uns den Beruf des Anwalts ein bischen schmackhaft zu machen. Er meinte ausdrücklich, dass die Arbeitssituation jetzt wieder besser werde und die Anwaltschaft vermehrt junge Anwälte sucht. In dem Vortrag über Anwaltsrecht wurden denn auch die Voraussetzungen für eine Wohnzimmerkanzlei und die monatlich einzukalkulierenden Fixkosten (Haftpflicht, Versorgungswerk, Kammerbeitrag) besprochen. Danach kann man auch mit kleinem Geldbeutel theoretisch in die wirtschaftliche Selbstständigkeit starten, sobald man den Zusatz „Anwalt“ an sein Klingelschild mit Tesa-Film befestigt hat.
Auch meine Anwaltsstation macht Lust auf mehr. Dies liegt nicht so sehr daran, dass ich viel praktische Arbeiten machen könnte. Denn wie bisher schreibe ich meist Aktenvermerke zu problematischen Fällen. Nur ganz selten schreibe ich mal ne Zivilklage ans Gericht oder einen § 80 V Antrag ans Verwaltungsgericht. Interessant sind aber die Mandantengespräche (ob in der Kanzlei oder beim gerichtlichen Ortstermin), weil man darin trainieren kann, juristische Probleme für den Normalbürger verständlich darzustellen. Auch durfte ich mich mal an einem Grundstückskaufvertrag zur Abwendung einer Enteignung probieren. Die Möglichkeit der Rechtsgestaltung hat man eben vor allem als Anwalt. Und das Gestalten macht seit den ersten Legobausteinen in der Kindheit auch regelmäßig viel Spaß. Hinzukommt eine nette Büroathmosphäre, bei dem sich die Anwälte und Referendare im Rechtsgespräch über unterschiedlichste Fälle austauschen.
Aus Spaß habe ich denn auch schon mal geschaut, was denn juris und beck-online für mich als Berufsanfänger kosten würden. Die Einstiegspreise für die Basisausstattung sind gar nicht einmal so hoch. Da ich mich aber Richtung öffentliches Recht spezialisieren will, ist schade, dass es das Beck-Modul für Verwaltungsrecht nur für 3 Rechner gibt. So muss man als Einzelanwalt sich erstmal ne Bibliothek finanzieren (ca. 2.000 Euro hatte mein Amazon-Wunschelzettel zum Schluss), wenn man nicht zu den oben genannten Fixkosten der Wohnzimmerkanzlei (Haftpflicht, Versorungswerk, Kammerbeitrag) noch 200 Euro nach München zum Beck-Verlag überweisen will. Ich werde mir jedenfalls mal das empfohlene DAV-Buch kaufen, um ein bischen mehr über den Start in den Anwaltsberuf zu erfahren.