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  Ausgabe 11/2025
Samstag, der 15.03.2025
     

 / Allgemein

Wie du Jurawissen blitzschnell im Langzeitgedächtnis zementierst

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Das zweite Staatsexamen rückt immer näher und es ist wieder so weit: Du musst ein Rechtsgebiet wiederholen. Du hast keine Lust, aber du weißt, dass es sein muss. Also fesselst du dich an den Schreibtisch und liest ein Skript. Eines, das du früher im Referendariat schon mal gelesen hast. Die Langeweile quält dich. Du bist müde. Dein Rücken tut weh.

Seite um Seite studierst du, markierst du, fasst du zusammen. Beim Lesen siehst du alte Markierungen, alte Notizen, alte Zusammenfassungen. Und du fragst dich: Die sollen von mir sein? Denn du kannst dich an nichts mehr erinnern. Es ist, als hättest du das Skript noch nie in der Hand gehabt. SO EIN FRUST!

Aber du kämpfst dich durch. Nach tagelanger Arbeit bist du endlich fertig. Ein Gefühl des Stolzes und der Befriedigung durchströmt deinen Körper. 300 Seiten wiederholt. „Materielles Öffentliches Recht im Assessorexamen“ endlich abgehakt. Da hast du wirklich etwas geleistet!

Doch kurz vorm Examen kommt dann der Schock. Du schlägst das Skript wieder auf. Du siehst deine „neuen“ Markierungen, deine „neuen“ Zusammenfassung, deine „neuen“ Notizen.

Und du fragst dich: Die sollen von mir sein? Denn du kannst dich an nichts mehr erinnern. Es ist, als hättest du das Skript noch nie in der Hand gehabt. SO EIN FRUST!

Wie wäre es, wenn dir so etwas nie wieder passieren würde? Wenn du eine Technik hättest, mit der du den Stoff schon beim ersten Lerndurchgang in dein Langzeitgedächtnis zementieren könntest?

Diese Technik gibt es. Du kennst sie sogar schon. Aber du benutzt sie nicht.

Die Geheimtechnik, die jeder kennt

Im Jahr 2013 hat ein Team um den Psychologen Dunlosky eine bahnbrechende Studie zum Thema Lerntechnik veröffentlicht. Darin haben die Psychologen unzählige empirische Untersuchungen zu verschiedenen Lerntechniken gesammelt und ausgewertet.

Mit Hilfe der Ergebnisse haben sie die Lerntechniken nach ihrer Effektivität gerankt.

An der Spitze des Rankings steht eine Technik, die jeder Referendar kennt, aber kaum jemand richtig einsetzt:

Das Abfragen.

Im Studium hast du diese Technik wahrscheinlich noch ein bisschen verwendet. Du hast vielleicht mit Hilfe von Karteikarten Definitionen gepaukt. Damit hast du immerhin an der Oberfläche dieser effektivsten aller Lerntechniken gekratzt.

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Aber jetzt, im Referendariat? Da hast du doch gar keine Zeit mehr für so etwas! Jedes Skript zweimal zu lesen ist doch schon das Maximum was geht, vielleicht die wichtigsten Skripten dreimal.

Nicht so schnell. Lass uns ein kleines Gedankenexperiment durchspielen:

Wie lange brauchst du, um 10 Skripten im Schnitt 2,3 mal zu lesen? Sagen wir mal 1000 Stunden, auf die genaue Zahl kommt es nicht an.

Wie viel Zeit würdest du sparen, wenn du stattdessen 8 Skripten im Schnitt 1,4 mal liest, weil du die weniger entscheidenden Kapitel überspringst und nur das Wichtigste doppelt liest?

Ich habe nachgerechnet. Du würdest 513 Stunden sparen, also über die Hälfte der Lernzeit.

Was passiert, wenn du diese gesparte Zeit zum Abfragen nutzt? Wenn du insgesamt weniger Stoff lernst, den aber dafür richtig?

Letzteres hat Dr. Matthias Schulz vom Zentrum für Juristisches Lernen der Bucerius Law School im Interview mit Juratopia empfohlen. Wie die vorherstehend genannte Dunlosky-Studie zeigt, hat er damit Recht:

Warum Abfragen besser ist als wiederholtes Lesen

Mehrere der von Dunlosky und seinen Kollegen ausgewerteten Untersuchungen haben ganz konkret das vielfache passive Wiederholen des Stoffes mit dem aktiven Abfragen verglichen. Diese Studien funktionierten wie folgt:

Eine Testgruppe durfte einen Text einmal lesen und dann mehrmals wiederholen, jedoch keine Abfragetechniken einsetzen. Die andere Gruppe durfte den Text ebenfalls einmal lesen, dann aber nicht mehr wiederholen. Stattdessen durfte diese zweite Gruppe sich die Inhalte mehrmals aktiv abfragen. Anschließend beschäftigten sich beide Gruppen eine Woche lang nicht mehr mit dem Stoff. Dann kam ein finaler Test.

In allen derart durchgeführten Studien hat die Abfragegruppe im finalen Test deutlich besser abgeschnitten. In einer vom Ergebnis besonders eindrucksvollen Studie erzielten die Wiederholer beispielsweise eine Punktzahl im finalen Test von 36%, die Abfrager hingegen eine Punktzahl von 80%. Auch andere Studien zeigten ähnliche Dimensionen.

Die zeitliche Verzögerung des finales Tests in den Studien lässt auch darauf schließen, dass Abfragetechniken gerade für das Behalten im Langzeitgedächtnis besonders effektiv sind – also perfekt für Jura geeignet.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man das Abfragen gerne vermeidet, weil es einem zeitintensiver als das bloße passive Aufnehmen des Stoffes erscheint. Tatsächlich haben Studien jedoch gezeigt, dass in der Regel auch bei gleicher Zeitinvestition, also z.B. zwei Stunden Wiederholungslesen gegen zwei Stunden Abfragen, das Abfragen zu besserer Beherrschung des Lernstoffes führt (Quelle für diese Ausführungen ist übrigens immer noch die oben genannte Studie von Dunlosky und Kollegen).

Außerdem verbessert das Abfragen die Fähigkeit zu Transferleistungen, was einem in juristischen Klausuren zu Gute kommt.

Ich fasse also die Vorteile des aktiven Abfragens zusammen:

  • Besseres Verhältnis von Zeitaufwand zu Stoffbeherrschung als beim passiven Wiederholen
  • besseres Abspeichern des Stoffes im Langzeitgedächtnis
  • bessere Fähigkeit zur Erbringung von Transferleistungen

 

Abfragen 2.0: Es geht noch effektiver

Wenn sich das schon gut anhört, warte ab was jetzt kommt: Du kannst die Effektivität des Abfragens nämlich sogar noch weiter steigern.

Das gelingt dir, indem du „Warum-Fragen“ in deine Abfrage-Sessions einbaust. Vor allem bei der Wiederholung und Vertiefung des materiellen Rechts lässt sich das gut umsetzen.

Beispiele:

  • Warum hat der Gesetzgeber das hier beim Werkvertrag anders geregelt als beim Kaufvertrag?
  • Warum ist der Nachbarbegriff im Baurecht anders als im Immissionsschutzrecht?

Dieses Hinterfragen von Fakten hat die Dunlosky-Studie als eine weitere dem passiven Wiederholen überlegene Lerntechnik identifiziert.

So war es nach den untersuchten Studien schon effektiver, einen Text einmal zu lesen und sich dabei die Fakten zu erklären als einen Text im gleichen Zeitraum einfach nur mehrmals zu lesen.

So integrierst du das Abfragen in deinen Lernalltag

Um dir die Anwendung so einfach wie möglich zu machen, kommen hier ein paar Tipps, wie du die Abfragetechnik in deinen Lernalltag integrieren kannst:

  • Notiere dir gleich beim ersten Aufnehmen des Stoffes Fragen dazu. Egal ob du ein Skript liest, in der AG oder beim Repetitor sitzt. Wenn du dir sofort Fragen notierst, sparst du einen Arbeitsschritt und damit Zeit.
  • Nutze vorgefertigte Fragen. Gute Ressourcen dafür sind das Skript „Die Zivilgerichtsklausur im Assessorexamen II“ von Kaiser und „Prüfungswissen Jura für die mündliche Prüfung“ von Kaiser/Horst/Horst.
  • Frage dich mit deiner Lerngruppe ab. Setzt euch dazu konkrete Termine, wann ihr bestimmte Inhalte abfragen wollt. Wenn du weißt, dass deine Lerngruppe dich nächsten Mittwoch die anwaltlichen Schriftsatzaufbauten abfragt, wirst du sie besonders motiviert lernen. Denn wer will vor seinen Freunden schon als unwissend dastehen?
Der Artikel wurde am 21. Juli 2014 von veröffentlicht. Lucas Kleinschmitt war Rechtsreferendar in Hamburg. Für die RefNews schreibt er gelegentlich Gastbeiträge.